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Der Jäger der verlorenen Bilder

von E. Burckhard Schmitz
(mit freundlicher Genehmigung des Autors, der diesen Beitrag für die 2011 publizierte
Geschichte des Schiller-Gymnasiums Köln 1899-2010 verfasste).

Werner Beutler (Foto) war in der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre Lehrer an der Deutschen Schule in Madrid, unterrichtete dann von 1960 bis in die siebziger Jahre Deutsch, Geschichte und Philosophie am Schiller-Gymnasium und war schließlich als stellvertretender Seminarleiter am Studienseminar Köln in der Lehrerausbildung tätig. Er war ein begeisterter Historiker, ein begnadeter Erzähler und engagierter, immer einfühlsamer Pädagoge und Motivator und – im Alter – eine Art Indiana Jones verlorener Kunstwerke.

In den Jahren 1990/1991 war er Mitinitiator der Ausstellung des Kölnischen Stadtmuseums „Die Kölner Kartause um 1500“; zu diesem Thema veröffentlichte er auch verschiedene Aufsätze. W. Beutler interessierte sich für den Kartäuserorden, weil er, so Beutler, zurückgeht auf den „einzigen Heiligen, der in Köln geboren wurde“, nämlich auf den heiligen Bruno.

Bruno v. Köln wurde um 1030 als Spross der Patrizierfamilie Hardefust geboren, studierte in Köln und Reims, wurde Leiter der Domschule der Kathedrale in Reims – einer Stätte höchster Gelehrsamkeit und Bedeutung, war Reims doch der Krönungsplatz der französischen Könige – ein geradezu mythischer Erinnerungsort! Auf der Suche nach dem Ewigen und dem wahren Glauben entschied sich Bruno schließlich für ein Eremitenleben; so zog er mit einigen Gefährten in die Chartreuse, ein Gebirgsmassiv der Voralpen zwischen Grenoble und Chambéry. Dies war der Ursprung des Kartäuserordens. 1090 wurde Bruno zeitweilig Berater seines früheren Schülers Papst Urban II. (der 1095 in Clermont zum ersten Kreuzzug aufrief), schlug dann einen Bischofsstuhl in Reggio aus und gründete 1091 in La Torre in Kalabrien eine weitere Kartause, wo er 1101 starb.

Bei seinen Forschungen zur Ausstellung entdeckte Beutler einen verlorengegangenen Bilderzyklus über Bruno v. Köln wieder. Ein kurkölnischer Hofmaler namens Peter Josef Schmitz hatte Mitte des 18. Jh. Im Auftrag von Kölner Bürgern einen achtteiligen Bilderzyklus gemalt, der zu Beginn der französischen Besatzungszeit in den Besitz von St. Severin gelangte. Dort waren die Bilder in den Wirren des II. Weltkriegs verloren gegangen. W.Beutler suchte diese Bilder: „Ich zum Pfarrer von St. Severin: ,Können Sie mir mal den Zyklus zeigen?‘ Er sagte: ,Habe ich nie von gehört.‘ Nun wusste ich aufgrund meiner Messdienertätigkeit, dass die nächste Frage lauten musste: ,Haben Sie einen Keller unter Ihrer Kirche?‘ Und da sagte des Pastor: ,Warum?‘ Und ich sagte: ,Darf ich da mal rein?‘ Kurz und gut: in dem Keller stand der Zyklus, war im Krieg da ausgelagert, vergessen worden, stand im Wasser und sah erbärmlich aus“ (Beutler im Deutschlandradio). Die Bilder wurden restauriert und sind nun in der Kirche zu besichtigen.

Im Zuge seiner Forschungen erfuhr W.Beutler von einem weiteren, noch umfangreicheren Bruno-Zyklus, den es im Kartäuserkloster Santa María de El Paular im Nordwesten von Madrid gegeben hatte. Es handelte sich um eine Bildfolge von 54 überlebensgroßen Gemälden über das Leben Brunos und die Geschichte des Ordens, die sich im Kreuzgang des heutigen Benediktinerklosters befunden hatte; es ist der größte Gemäldezyklus der Kunstgeschichte. Geschaffen hatte das Werk der italienischstämmige Vicente Carducho (ca. 1576 – 1638), vor Velázquez der höchstgeschätzte Hofmaler der Könige Felipe III. und Felipe IV. Nach Aufhebung des Kartäuserklosters 1835 kamen die Gemälde an das Museo de la Trinidad, dann 1872 an den Prado, der keinen hinreichenden Raum zu Ausstellung hatte; der Zyklus wurde über das Land verteilt und weitgehend vergessen.

Beutler machte sich nun auf die Suche nach den verlorenen Kunstschätzen. Fünf Jahre lang reiste er durch Spanien, spürte mühsam und aufwendig in Museen und Klöstern, in Kellern und auf Dachböden den Bildern nach. Er fand 12 vergessene Exemplare im Fundus des Prado, zwei Bilder in einem Schlafsaal des katalanischen Zisterzienserklosters Poblet, zwei in der Kartause von Miraflores von Burgos usw. Unter anderem suchte er im erzbischöflichen Palais von Valladolid: „Der Generalvikar hatte keine Ahnung, dass es die überhaupt gab. Dann habe ich mich langsam durchgefragt bis zum Küster in der Kathedrale und der sagte: ,Sagten Sie da was von Bildern? Ich weiß nicht, ob das Bilder sind, aber wir haben da so Platten in einer Seitenkapelle vom Chor stehen. Schon lange!‘ Und da bin ich also mit dem in diese Seitenkapelle: kein Licht und nichts und dann mit der Taschenlampe. Und siehe da: Da waren die sechs Exemplare aus dem Zyklus, die Valladolid gehörten.“ Zwei der Bilder waren im Spanischen Bürgerkrieg von 1936 – 1939 zerstört worden, aber 52 Bilder konnte Beutler schließlich nach und nach auffinden und identifizieren. Nun mussten noch die Bildthemen erschlossen und die korrekte Reihenfolge des Bilderzyklus rekonstruiert werden – ein Wissen, das weitgehend verlorengegangen war.

Beutler konnte schließlich einen eindrucksvollen Bildband über den Bruno-Zyklus in El Paular veröffentlichen. Auf sein unermüdliches Drängen hin – er hatte in vielen Gesprächen und Verhandlungen die Unterstützung des spanischen Kultusministeriums und der Chefin der Abteilung spanische Malerei des Prado gewonnen - wurden die Bilder, jedes davon im Rundbogenformat 3,45 mal 3,15 m, nun bis 2006 aufwendig restauriert. Noch einmal fünf Jahre vergingen, bis nach weiteren Renovierungsarbeiten im Gebäude der früheren Kartause El Paular die Bilder wieder auf ihrem angestammten Platz hingen. Im Juli 2011 wurde der Zyklus durch die spanische Kultusministerin am angestammten Ort der Öffentlichkeit übergeben. Die FAZ titelte: „Der Prado präsentiert in der Sierra von Madrid eine Sensation: Nach 175 Jahren ist der monumentale Bildzyklus von Vicente Carducho erstmalig wieder vollständig zu sehen.“ Die Prado-Kuratorin Leticia Ruiz bezeichnete Werner Beutler als „Retter Carduchos“; zur Feierstunde eingeladen war er nicht – repräsentierte er Versäumnisse auf spanischer Seite?

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